ZUR EXPRESSIV – INFORMELLEN FIGURATION                                                          

 

„Man muss noch das nötige Chaos in sich haben, um einen tanzenden Stern zu gebären.“ Nitzsche

„Wenn wir uns nicht selbst befreien, bleibt es für uns ohne Folgen.“  Peter Weiß

In der bildenden Kunst geht es nicht darum, etwas abzubilden, sondern es geht darum, etwas zu bilden. 

Eine Figur zu überzeichnen bedeutet nicht, sie zu zerstören. Einen Gedanken zu überdenken heißt nicht, ihn aufzugeben.

Eine geschlossene Form ist eine vor der Formung beschlossene Form, die das diktiert, was nun einmal beschlossen war. Die offene Form ist offen für die Phantasie- und den Gedankenreichtum des Betrachters.

Der Maler ist immer gleichzeitig auch Betrachter.



Alle beherrschten Formen müssen verlassen werden, um eine originale Schöpfung hervorzubilden, also ein Bild zu malen.Vorausdenken und Planen gilt nur für Tätigkeiten, die einen von vornherein festgelegten, materiell fassbaren Nutzen bringen müssen. Die künstlerische Tätigkeit entdeckt und erfindet. Da kann man höchstens vorher die Materialien ordnen und planen. Ansonsten sollte man sich überraschen lassen, was mit den bereitgestellten Materialien zu bewerkstelligen ist. Ein Maler, der seine Formen beherrscht, imitiert sich stets selbst zu dem Zweck, seine Größe und Bedeutung ( seine Herrschaft ) zu beweisen. Er beweist Macht. Das liegt außerhalb der Kunst, denn in der Kunst gibt es keinen Beweis. Außerdem gibt es in der Kunst keine Zwecke, da sie so voller Sinn ist, dass sie sich darin selbst genügt. Sie ist also nutz- und zwecklos, aber sehr sinnvoll (voller Sinn). Der Strich oder Fleck als eine beseelte Sinnesäußerung zeichnet das Blatt, indem der Zeichner damit sein Zeichen setzt. Er kündet sich selbst an. Die Kraft der Natur setzt mit jeder Erscheinung ihr Zeichen (von sich selbst). Die Zeichen können wir mit unseren Sinnen erfassen. Unsere Seele deutet die Zeichen als unfassbare göttliche Kraft, die sinnlich erlebbar ist. Dieses Erlebnis bringt uns in die Lage z.B. einem Strich die Kraft einer Seelenäußerung zu geben und so unser menschliches Zeichen zu setzen. Der Betrachter, der sich auf solche Zeichen einlässt, wird ganzheitlich ergriffen. Eine innere Betroffenheit ist die Folge. Wer dabei einen begrifflich logischen Interpretationsprozess erwartet, der sich nur auf den denkenden Geist stützt,  der abstrahiert vom menschlichen Geist das Sinnesvermögen, den Sinn, der Herz und Gefühl in Bewegung versetzt.


Zufall ist eine von mir unabhängige Tatsache, die mir zufällt.

die zerrissene Form - der Zufall des Geformten - die Form der Zerrissenheit - das Zerrissene der Einheit - die Einheit der Welt

die Kraft der Schwäche - die Schwäche der Unzufriedenheit, des Zorns, der Wut, der Aggression, des Hasses, der Demut, des Neides, der Eifersucht, des Aufruhrs, der Revolte

die Energie des Geistes und des Materials - der Geist der Liebe - das Material des Schöpfers

der Mut der Verzweiflung - der Zweifel des Menschen

die Lüge von "gut" und "böse" - die Wahrheit der Existenz - die Existenz der freien Tat - der Irrtum von "wahr" und "falsch"

die Magie des Abenteuers, des Forschens und Experimentierens - der Spaß am Spiel - das Spiel mit dem Risiko - das Risiko der Gefahr - das Gefährliche der Erfindung - die Erfindung von bisher Unbekannten - das Neue - die Schöpfung - der Mut des Schöpfers

der Begriff der Dinge - die Dinglichkeit der geistigen Festlegung, die Anmaßung feststehender Begriffe - die Festigkeit stetiger Wandlung - die Wandlung der Sinneserfahrungen - der Sinn der Welt - die Erfahrung der Welt - die Welt des Zufalls (dessen, was mir zufällt) - der Zufall der Form – die daraus entstehende Not, die gewendet werden muss – die innere Notwendigkeit – „In der Kunst ist alles erlaubt, wenn es aus innerer Notwendigkeit kommt.“ (Kandinsky)

Gestische Aktionen als Malhandlungen hinterlassen Spuren, expressive Strukturen und informelle Gebilde auf der Malfläche. Die Gesten schleudern Angestautes von innen nach außen. Figurationen tauchen auf, verschwinden, tauchen wieder, aber anders, auf ... usw. Ein ständiges Abenteuer in' s Unbekannte hinein macht den Malprozess spannend. Die in ihrer Eindeutigkeit in Frage gestellte (informelle) Form provoziert Aufruhr gegen festgelegte Blickwinkel.

Akzeptiere ich den Zufall der Form, dann nehme ich, was mir zufällt und das bildnerische Spiel beginnt: Meine potentielle Lebensenergie wirkt als kinetische Energie. Mein ganzer Körper ist in Bewegung. Die Farben, Linien und Flächen wirken und weben auf dem Spielfeld des Bildgrundes. Dieses Wirken und Weben - also die Wirklichkeit der bildnerischen Mittel - fällt mir solange zu, wie ich meine Lebensenergie, also mich selbst, verausgabe. Ich verausgabe mich solange, wie ich den Spaß an dem damit verbundenen Sinnenfest erhalten möchte. Dieses Fest ist ein sich selbst Vergessen im Rausch ständiger Erfindung. Kein Grübeln, kein Nachdenken, keine vorausgedachte Logik und keine festgelegten Konventionen stören diesen Rausch. Wie von selbst, wie von "göttlicher Hand" geleitet - im Einklang mit allem (Ganzheitlichkeit) passiert die Schöpfung. Sie passiert wie ein Spiel in' s Unbekannte hinein. Je mutiger ich in' s Unbekannte hineinspiele, um so freier und ungezwungener wird das Spiel. Der Überblick, den ich zu bewahren versuche, bringt Geist in das Spiel. Gegenständliche Assoziationen werden in den Überblick einbezogen - wieder verlassen - neu gebildet - wieder verlassen ... . Die Überlagerungen sind ein offenes Gebilde - ein Bild von mir. Mein Bild ist Rausch, Tanz, Trance, Magie, Figuration, Metamorphose, Erfindung, Material,Hochspannung, Gleichnis ... - Wirklichkeit - so wirklich wie jede andere Schöpfung. Eine Schöpfung liegt jenseits von gut und böse, schön und hässlich, wahr und falsch und jeglicher anderer Gerechtigkeit, die weiter nichts will und kann, als irgend ein bestimmtes Recht für irgendeine herrschende Macht festzulegen. Dagegen liegt in der Schöpfung gleiches Recht für jede Selbst - und Erfindung. Der Mut zur Schöpfung verhindert die Banalität und den langweiligen Gleichklang der Selbstzufriedenheit.




Die scheinbare Zerrissenheit unserer Welt bedarf Augen, die in der Lage sind, ein neues Ganzes zu sehen. Diese neue Ganzheitlichkeit ist keine Frage fest definierter Begriffe mit einem ein für allemal dazu passendem Bild, sondern es erwächst stets neu aus den Experimenten einer intensiven Sinnenpraxis, die durchaus im Denken ihre Vergeistigung erfährt. (Der denkende menschliche Geist ist nicht einseitig begrifflich logisch.) Die Zerrissenheit der Welt ist eine Frage des Blickwinkels, der Betrachtungsweise, des Anschauens der Welt - der Weltanschauung. Seit der einsteinschen Relativitätstheorie wird uns immer mehr bewusst, dass die klassische Denkweise vom Einssein der Begriffe, Termini und Gesetzlichkeiten mit den tatsächlichen Vorgängen in der Natur nur eine momentane Festlegung des Denkens vom gerade gegenwärtigen Erkenntnisstand aus ist. Verschiedene Standpunkte ergeben verschiedene Blickwinkel und also verschiedene Bilder der Erkenntnis. Ich bin überzeugt, dass in der Ganzheitlichkeit eines solchen Bildes ein Gleichnis zum tatsächlichen Weltgeschehen liegt. In der Alltagspraxis haben wir uns in ein Denksystem mit den dazugehörigen Begriffsfestlegungen innerhalb einer konventionellen Betrachtungsweise eingerichtet, um miteinander (mehr oder weniger geschäftlich) klarzukommen, um letztlich die Umwelt materiell optimal benutzen zu können. Über diesen Nützlichkeitseffekt hinaus, schaut sich jeder schöpferisch lebendige Mensch die Welt so an, wie er die Welt von seinem Standpunkt aus empfindet, erfährt und erlebt. Die Tatsache, dass alle Dinge (irgendwie, aber von uns nicht eindeutig bestimmbar) kosmisch zusammengehören, lässt die verschiedensten Betrachtungsweisen zu. Der Betrachter bestimmt subjektiv, welche sichtbare Erscheinung mit welch anderer in Verbindung - also in Zusammenhang - gebracht wird. Diese subjektive Betrachtung geht über die Begriffe hinaus (die Begriffe, die ihre Logik immer aus dem   Herausisolieren bestimmter dem Menschen einen konkreten Nutzen bringenden Sinneswahrnehmungen und - Erfahrungen aus der Ganzheitlichkeit der Welt beziehen). Der schöpferische Mensch lebt die tatsächliche Sinnesempfindung aus. Die freie Entfaltung und Spontaneität durchbricht das Gefängnis der vom festgelegten Zweck bestimmten Kausalitäten. Die Dinge erleuchten sich in uns und sind voller Sinn - also bildfähig. Der Maler macht bildfähige Sinnesäußerungen. Er bildet etwas sinnlich wahrnehmbares aus der konkreten sinnlichen Praxis heraus und reißt dabei die etablierten traditionellen Zusammenhänge (die von festgelegten Zwecken bestimmten Kausalitäten) auseinander. Das so Zerrissene bildet sich als Zusammenhang neu. Eine neue Sicht bildet sich - eine neue Weltanschauung –und zwar im wahrsten Sinne des Wortes als Anschauung und nicht als Theorie, die ein für alle mal etwas definieren und damit festlegen will.

Der Mensch sieht Teile, die ein Ganzes bilden. Die Teile erscheinen uns dabei als ein Gleichnis zum Ganzen. Es liegt immer an der Betrachtungsweise, in welchem Ausmaß ein Teil als Ganzes angesehen wird. Teile prallen aufeinander, weichen sich aus, vermischen sich, verwandeln sich, sind aus der Entfernung eins, aus der Nähe viele ..., sie wirken und weben frei - ein jedes seine eigenen Bedingungen stellend mit, zu und gegeneinander. Der Mensch definiert das als Zusammenhang. Ein ganzheitliches Teil als solches festzulegen, obliegt der subjektiven Anschauung des Definierenden. Den Erfinder interessiert die Freiheit der wie auch immer definierten Teile, Zusammenhänge zu bilden. Die bildnerische Erfindung oder Schöpfung lässt den Materialien infolge der Energie-, Kraft - und Sensibilitätsentfaltung des Bildners freien Lauf, verfolgt, welche Zusammenhänge sich bilden und definiert einen Bildzusammenhang, der die Definitionsfreiheit des Betrachters nicht einschränkt. Als Teil des Ganzen findet der Mensch in sich selbst eine Ahnung des Ganzen, welches die menschlichen Zulänglichkeiten um ein Unendliches übersteigt. Wir sind lediglich in der Lage, aus einer subjektiven Existenz heraus ein Ganzes zu erfinden. In der Sinnestätigkeit erfinden wir uns selbst und erfahren uns als ein ausgeschiedenes vereinzeltes Ganzes, welches frei seinen Zusammenhang nach außen entscheidet. Wir sind (wenn wir wirklich und lebendig sind) kein Rädchen im Getriebe des Ganzen, sondern eine freie Existenz, die im Mit - und Gegeneinander zu anderen freien Existenzen ein nicht festlegbares Ganzes bildet. Es gibt keine abgeschlossenen Definitionen, keine feststehenden Zusammenhänge, keine eindeutigen Formen ein für allemal festgelegter Teile. Die innere Kraft der Alleinheit wirkt und webt in Form freier Existenzen, woraus sich die Gesamtexistenz schöpft, die eben nicht festgelegt ist, sondern jeder freien Existenz Stoff und Kraft zur Wirklichkeit (Zeit und Raum zum Wirken und Weben) gibt.So wie der Mensch niemals eindeutig erkennen kann, wohin sein Wirken - seine Wirklichkeit - geht, so ist Form und Geist des Ganzen nicht fassbar, aber durch die Sinneserfahrung als Gleichnis magisch erlebbar. Der Zauber des Daseins - der Existenz - dringt in' s Bewusstsein und macht uns zu Erfindern - zu Schöpfern - einer geistigen Existenz. Das kostet viel Kraft, Energie, Schweiß, Schmerz, Angst und Mut, um wenigstens manchmal für einen kurzen seelischen Moment die Kraft der Schöpfung in sich zu spüren. In diesem Momenten geht man über die eigene Existenz hinaus, und man hat sich ganz hingegeben. Der Schöpfer gibt alles für jegliche Existenz. Er pfeift auf "gut" und "böse" und all die anderen allzu menschlichen Festlegungen, die aus dem Leben eine Kette von Feigheiten machen, nur um sich in seinem bürgerlichen Wohlsein zu bewahren.



Wenn ich male, dann will ich weiter nichts, als sichtbar machen, was ich zu fühlen im Stande bin, und zwar mit allen mir verfügbaren Mitteln, selbst wenn ich das Papier oder die Leinwand (den Bildträger) dabei teilweise oder gar ganz zerstöre. Spontan aus dem Gefühl, aus Trance und Selbstversunkenheit heraus erspiele ich sich ständig verändernde Fantasien (Einbildungen = Imagines = Bilder). Mein Konzept: Jegliches - dem Malprozess vorherdenken - rhythmisch wegmeditieren. Ich versuche den Zustand der Selbstvergessenheit zu erreichen. Intensive Musik ist dazu sehr dienlich. Sich selbst vergessen bedingt, dass man einSelbstsein hat (mit all den im Hirn notierten Erfahrungen, Erkenntnissen, Selbstwertgefühlen - und Empfindungen, die das eigene Sein bewusst machen). Dieses "sich selbst Vergessen" übersteigt / transzendiert das Selbstsein - das Ich -  und schließt mich auf für den Rausch des Allheitserlebnisses - der Ganzheitlichkeit. Der Prozess des Entstehens, der Erfindung, der Schöpfung ist möglich. Das Bewusstsein bildnerischer Erfahrungen (in der Kunstwissenschaft: - bildnerische Gesetze) gehört zum Selbstsein. Das Machen bildnerischer Erfahrungen ist transzendent (übersteigt unser Bewusstsein). Der Bereich des Bekannten wird verlassen. Die eigentliche schöpferische Lebendigkeit beginnt. Insofern pfeife ich z.B. auf alle vorgefassten Erkenntnisse über die Wirkung von Farbe - auch auf die psychologischen Deutungen. Wenn ich aggressiv bin und mir steht nur ein sogenanntes beruhigendes Grün zur Verfügung, dann handle ich trotzdem direkt - also aggressiv. Die Malaktion ist entscheidend für die Wirkung - die Wirklichkeit - der Farbe. Man kann sich natürlich auch eine Farbpalette vorbereiten, bereitstellen und gespannt darauf sein, was damit in der Malaktion damit passiert.

 Ich habe meine Malerei selbst erfunden und erfinde sie ständig neu. Ähnlichkeiten mit den Bildern anderer Maler sind rein zufällig und zudem nur äußerlich. Diese Ähnlichkeiten stimmen mich außerdem sehr optimistisch. Das ist wie in der Begriffswelt. Wenn da zwei Leute unabhängig voneinander die selbe Erkenntnis in Worte fassen und die Aussagen identisch sind, dann gilt die Erkenntnis als wahr. Oder: Rechne ich eine Mathematikaufgabe auf zwei völlig unterschiedliche Methoden durch und erhalte zweimal das gleiche Ergebnis, dann gilt uns das Ergebnis als richtig.

 Bisher ging jedem Zeichen eine Bedeutung voraus. Jetzt inszeniert sich spontan jedes Zeichen selbst aus der freien Handlung des Zeichensetzenden heraus und schafft seine eigene Bedeutung. Diese Bedeutung ist assoziativ, offen und evoziert Welten als freie Schöpfung menschlicher Geistigkeit. Die Bedeutung ist das Zeichen. Alle figürlichen Assoziationen werden vorgeführt vom Zeichen und haben somit Bedeutung, da die Bedeutung ja ein Zeichen der inneren Welt des Malers bzw. des Zeichners ist.